Einkaufen im Netz hat viele Vorteile. Wir ersparen uns innerstädtischen Einkaufsstress, können bequem von zu Hause aus bestellen und erhalten sogar hilfreiche Empfehlungen zu Produkten, die uns auch gefallen könnten. Interessieren wir uns beispielsweise für einen grünen Pullover, schlägt uns der Algorithmus viele ähnliche Pullover im gesamten grünen Farbspektrum vor. Im besten Fall. Denn es kann sein, dass unter den Empfehlungen auch mal ein grünes T-Shirt ist. Oder schlimmer: ein grüner Toaster. Wie kommen diese Empfehlungen zustande? Was hat der Kunde geklickt, damit der Algorithmus denkt, er müsste einen Toaster statt eines Pullovers empfehlen?
Eines vorab: Den schlechten Algorithmus gibt es nicht“, erklärt Timo Schulz. „Es geht vielmehr darum, wie stabil er ist und wie die Eingabedaten aussehen. Mit anderen Worten also: wie seine Lernprozesse auf Zufallselemente reagieren.“
TIMO SCHULZ - SPEZIALIST FÜR ANALYSE VON ALGORITHMEN
Alles Zufall?
Für Online-Händler ist das essenziell. Denn der Kunde klickt schnell weg, wenn er auf der Suche nach grünen Pullovern ständig Dinge empfohlen bekommt, die zwar grün, aber keine Pullover sind. Es ist daher wichtig zu verstehen, welche Zufallselemente den Algorithmus beeinflussen. „Stellen Sie sich ein Autorennen vor“, sagt Timo Schulz. „Das Ziel ist der grüne Pullover und die Autos sind die verschiedenen Prozessabläufe. Das eine Auto hat bessere Reifen, das andere einen besseren Motor, das dritte einen besseren Fahrer. Alles zufällige Elemente, jedoch entscheidend dafür, ob oder wann oder wie schnell sie ans Ziel, zum grünen Pullover, kommen.“
Timo Schulz ist Teil eines Teams bei ITGAIN, das sich auf die Analyse von Algorithmen spezialisiert hat. Dieses Team will wissen, welches die Zufallselemente sind, wie groß ihr Einfluss auf die Entscheidung des Algorithmus ist und wie stabil die Empfehlungen am Ende noch sind. Aber neben den Zufallselementen müssen noch weitere Aspekte berücksichtigt werden.
Den Zufall zu erkennen, ist schon aufwendig. Den Algorithmus beeinflussende Bots in den Daten zu identifizieren, noch schwieriger." Doch Bots zu erkennen ist wichtig. Denn sie nehmen, richtig programmiert, erheblichen – unlauteren – Einfluss auf die Empfehlungen. Zum Beispiel kann es sein, dass es ein Bot schafft, immer denselben grünen Pullover einer bestimmten Marke in die Empfehlungen zu schieben. „Das hat dann nichts mehr mit echten Prozessen zu tun und ist somit bestenfalls wertlos. Schlimmstenfalls aber werden dem Online-Händler reale Kunden abspenstig gemacht“,
ERKLÄRT TIMO SCHULZ.
Der KI auf die Schliche gekommen
Aber so komplex die Angelegenheit auch ist, es gibt Tricks zur Analyse der Algorithmen. Entwickelt hat sie ein Team, bei dem auch Timo Schulz von ITGAIN dabei war. Dafür hat die Mannschaft über einen bestimmten Zeitraum einen Datensatz aufgebaut, der dutzende von Prozesssitzungen durchlaufen hat. Genau definierte Sitzungen, um den grünen Pullover als Empfehlung hervorzubringen. Diese Prozesse wurden fixiert, damit sie immer dasselbe Ergebnis garantieren. Dann wurde experimentell eine der Sitzungen entfernt. Die Erwartung: Das Ergebnis ändert sich minimal. Anstelle eines grünen Pullovers wird beispielsweise ein grüner Pullunder angezeigt. Doch – Überraschung: Die Abweichung fiel größer aus als erwartet. „Wir haben erkannt, dass bereits einzelne Sitzungen das gesamte Ergebnis in eine völlig andere Richtung drehen können“, sagt Timo Schulz. „Eine Erkenntnis, die uns – und Online-Händlern – hilft zu verstehen, wie Big Data mit Algorithmen interagiert.“
Außerdem ein großer Mehrwert für die Online-Händler: Mit Hilfe der ITGAIN Analysen wissen sie, wie stabil ihr Algorithmus ist und erhalten einen transparenten Einblick in die Prozessabläufe. „Doch wir wollen noch mehr: Ziel ist es zu wissen, wie wichtig der einzelne Datenpunkt ist, um z.B. zum grünen Pullover zu gelangen“, sagt Timo Schulz. „Ein langer Weg. Doch die ersten Schritte haben wir bereits gemacht.“
Was ist Künstliche Intelligenz?
Unter Künstlicher Intelligenz (KI) verstehen Informatiker automatisches Verhalten von Maschinen. Darunter fällt auch der Begriff „Maschinelles Lernen“. Im Allgemeinen bezeichnet „künstliche Intelligenz“ den Versuch, menschenähnliche Entscheidungsstrukturen in einem nichteindeutigen Umfeld nachzubilden, d. h., einen Computer so zu bauen oder zu programmieren, dass er eigenständig Probleme bearbeiten kann. Wie zum Beispiel bei einem Online-Händler, wo ein Algorithmus das Klickverhalten der Kunden analysiert und aufgrund der Daten automatisch entscheidet, welche Produkte dem Kunden ebenso gefallen könnten.