Der Mainframe-Rechner, ein Faktotum im Keller von Banken, Großhändlern, Versicherungen – Unternehmen, die täglich riesige Datenmengen, Kundendaten, Versicherungsdaten im Batch verarbeiten müssen. Seit den 1950er Jahren betreibt der Marktführer IBM seine Rechner und seit 2001 mit dem Betriebssystem z/OS und verspricht seinen Nutzern größtmögliche Sicherheit unter sehr hohem Transaktionsaufkommen. Doch schlägt sich das in den Kosten nieder. Ein Mainframe verbraucht viele Ressourcen. Nicht zu vergessen, dass die Experten mit dem entsprechenden Software-Knowhow langsam den aktiven Arbeitsmarkt altersbedingt verlassen. Will ein Unternehmen zukunftsfähig bleiben und gleichzeitig Kosten sparen, muss es über eine Migration seiner Daten auf eine dezentrale Lösung nachdenken. Kai Mares, Bereichsleiter Mainframe Solutions bei ITGAIN, berät und begleitet Unternehmen bei diesem Schritt. Im Interview spricht der Experte über sein letztes Projekt: die Mainframe-Migration einer Versicherung auf ein dezentrales Linux-System.
Die Versicherung betreut als Versicherung knapp 10 Millionen Policen. Klingt groß, war es das?
Mares: Das war es. Wir saßen vor einem Gesamtpaket von über zwei Millionen Datasets. Und es musste erst einmal geklärt werden, was gelöscht werden kann und was nicht. Letztlich geht aber jedes Unternehmen nach der Devise „lieber zu viel behalten, als zu wenig“ vor. So waren es vor Beginn der Migration immer noch rund 500.000 Daten. Und eine entsprechende Anzahl von Anwendungen.
Wie ist das übliche Vorgehen?
Mares: Bevor wir anfangen, versuchen wir immer abzuschätzen, wie lange das Projekt dauern wird. Kennen wir die Datenmenge, lässt sich zumindest festlegen, wann die erste Anwendung produktiv in der Zielumgebung laufen kann. Denn die Mainframe-Dateien liegen auf Tapes, und müssen re-stored werden. Das dauert pro Datei ein paar Minuten. Steht der Zeitplan, beginnt ein fließender Prozess. Nach und nach lösen wir die Anwendungen und Dateien aus dem Mainframe und überführen sie in das neue System.
In diesem Fall ein dezentrales System auf Linux-Basis. Ist das der Standard?
Mares: Einen Standard gibt es nicht. Mit der Batch-Lösung J2U von ITGAIN können wir z/Os Batch-Applikation in jede dezentrale Umgebung bringen, die das Unternehmen möchte. Die z/OS Batch-Jobs werden überall unverändert ausgeführt, nur eben auf einer anderen Plattform. Dazu interpretiert die J2U die JCL und führt sie nach den gleichen Regeln wie unter z/OS aus. Die Geschäftslogik bleibt erhalten. Das hilft bei der Umstellung ungemein.
Damit meinen Sie die Mitarbeiter?
Ja. Wir versuchen immer die Mitarbeiter mitzunehmen. Es gibt Kollegen, die ihr gesamtes berufliches Leben im Mainframe-System gearbeitet haben, die müssen abgeholt und in das neue System eingeführt werden. Deswegen stellen wir eine Entwicklungsumgebung bereit, die moderne Werkzeuge in gewohnten Prozessen nachbildet. Damit können sich die Mitarbeiter schnell zurechtfinden, und praktisch ohne Unterbrechung weiterarbeiten."
KAI MARES, BEREICHSLEITER MAINFRAME SOLUTIONS
Es gibt keine Unterbrechung im laufenden Geschäft?
Mares: Da bereits relativ früh Sequenzen aus dem Mainframe ausgelöst und produktiv werden, merkt im besten Fall niemand, dass wir im Hintergrund alles umstellen. So lange, bis es zur Ablösung kommt.
Wenn beim Mainframe die Lichter ausgehen…
Mares: Genau. Alle Anwendungen werden migriert, bis nur noch die Datenbank übrigbleibt. Sind wir an dem Punkt angekommen, alle Anwendungen wurden getestet und alle Probleme bereinigt, dann haben wir ein Wochenende Zeit, die Datenbank rüber zu schieben. Das ist jedes Mal spannend, denn ab diesem Punkt, gibt es kein Zurück mehr. Wir sagen immer: „Die Datenbank macht das Licht aus.“ Bei dem Kunden wurde das auch entsprechend zelebriert. Am Montag wurde vom Geschäftsführer IT der Schalter umgelegt und alle Fachbereiche haben ihre Arbeit im neuen System begonnen. Durch die Umstellung wurden Sie zudem in ihrer Arbeit nicht gestört oder gar beeinträchtigt.
Wie geht es dann weiter?
Mares: Da gibt es zwei Szenarien: Entweder wir arbeiten weiterhin mit dem Unternehmen zusammen, erweitern die Lösung, tüfteln an neuen Ideen – die klassische Dienstleistung. Oder, wie bei dieser Versicherung, das Projekt will dem Unternehmen das Knowhow für ein eigenständiges Handling des neuen Systems geben. Uns geht es letztlich aber immer um die Implementierung einer zukunftsfähigen Lösung. Welche das ist, und wie wir sie gemeinsam zum Laufen bringen, entscheiden wir individuell in Absprache mit unseren Kunden.