Scrum - Warum Organisationen oft Schwierigkeiten haben, Wert zu erzeugen
Scrum hat sich zunehmend als Framework für die Entwicklung komplexer Produkte in komplexen Umgebungen etabliert. Doch trotz seiner weitreichenden Akzeptanz in verschiedenen Branchen scheint die tatsächliche Produktivität in vielen Organisationen nicht den erwarteten Nutzen zu liefern.
Als erfahrener Berater habe ich wiederholt Teams gesehen, die zwar formell Scrum anwenden, aber nur begrenzte Verbesserungen in ihrer Produktivität im Vergleich zu herkömmlichen Ansätzen erzielen. Dies kann auf verschiedene Faktoren zurückgeführt werden, die ich in diesem Beitrag ansprechen werde.
Dies kann auf verschiedene Gründe zurückgeführt werden, von denen ich einige hier besprechen möchte:
- Das Product Backlog. Es fällt immer wieder auf, dass die Formulierung des Backlogs unzureichend ist. Sei es, dass auf die starke Methode der User-Stories verzichtet wird und an ihrer Stelle sich Begriffe finden wie „Fachkonzept“ oder „Projektplan“ oder die Formulierung der Funktionalitäten in Freitext erfolgt.
- Definition of Done. Auch, wenn vielen Teams der Begriff geläufig ist und auch eine Definition of Done vorliegt, so wird hier oftmals sehr wenig Sorgfalt in die Formulierung gelegt. Dies ist ein schmerzhaftes Versäumnis, kann doch eine gute und lange entwickelte Definition of Done eine immense Kraft entwickeln.
- Definition of Ready. Selbst wenn formal korrekte User Stories entwickelt werden, so wird oft wenig Augenmerk auf die gute Formulierung dieser gelegt. Die Stories sind sehr oft nicht gut verständlich, sie sind oft nicht wirklich unabhängig geschrieben, sie sind häufig nicht verhandelbar. Ob und welcher Wert mit der Umsetzung erreicht wird, ist nicht ersichtlich. Auch wird die Bedeutung einer guten Schätzung des Umsetzungsaufwandes nicht verstanden. Akzeptanzkriterien fehlen oft vollständig.
- Die (impliziten) Forderungen von Scrum an die Arbeitsweise der Teams werden oft ignoriert: collocated, also alle Mitarbeiter zusammen an einem Ort. Insbesondere der hohe Einsatz von Telearbeit (Post-Corona) steht dem im Weg. In meiner Praxis habe ich oft beobachtet, dass Mitglieder von Scrum Teams nur zeitweise in diesem arbeiten und nebenher weitere Linientätigkeiten ausüben. Auch wenn Scrum verlangt, dass die Teammitglieder dediziert in Scrum arbeiten. Es ist oft fraglich, ob die Teammitglieder wirklich crossfunktional sind.
- Besonders schmerzhaft ist die häufige Vernachlässigung oder das völlige Ausbleiben des Refinements des Product Backlogs. Die Bedeutung dieses Refinements wird oft unterschätzt. Sagt doch Scrum, dass die Developer bis zu 10 % ihrer Kapazitäten für das Refinement vorsehen sollen.
- Dysfunktonale Events. Wie oft sieht man zu lange Dalies, wie oft sieht man Retros, in denen kein wirklicher Wille zur Veränderung und Verbesserung vorliegt und wie oft vermisst man in dem Review die wirklich wichtigen Stakeholder (die Endanwender des erzeugten Produktes).
Andere wichtige Aspekte hier nur noch am Rande: Das Commitment der Organisation und des Managements zur agilen Vorgehensweise, falsch positionierte oder besetzte Rollen (Scrum Master, Product Owner, Management) und generell der Raum und die notwendige Freiheit und Unabhängigkeit der Scrum Teams.
Das alles führt in ganzen Industriezweigen dazu, dass Scrum nicht in dem Maße Wert (Value) erzeugen kann, für das Scrum eben genau eignet wäre. Jeff Sutherland spricht in seinem Buch von einer vierfachen Steigerung der Produktivität durch Scrum („The Art of Doing twice the Work in half the Time“) und schreibt im Klappentext gar von einer bis zu achtfachen Produktivität. Hiervon sind wir in Deutschland in aller Regel weit entfernt. Und über den Aspekt der dramatisch gesteigerten Qualität haben wir hier noch gar nicht gesprochen.
Es drängt sich der Eindruck auf, dass vielerorts das Wissen über den korrekten Einsatz von Scrum nicht im notwendigen Maße vorhanden ist. Hier wären viele Unternehmen, unabhängig, ob sie Scrum bereits einsetzen oder nicht, gut beraten, in die Ausbildung ihrer Mitarbeiter zu investieren und das Verständnis aller für die Kraft der Agilität zu fördern.
Im Sinne des erreichbaren Wertes sind durch einen wirklich produktiven Einsatz von Scrum noch viele Schätze zu heben.
Wie Sie diese Schätze heben können und auch in der Praxis umsetzen können, lernen Sie in unseren Trainings: